Sigmar Salzburg
In Hamburg lief bis zum 11. Januar 2015 im Bucerius Kunst Forum die Ausstellung „Pompeji. Götter, Mythen, Menschen“. Gezeigt wurden vor allem originale Wandfresken, die einst bis zum Ausbruch des Vesuvs die Villen und Wohnhäuser der römischen Kleinstadt schmückten.
Ich konnte die Ausstellung mit den Kieler Freunden der Antike unter der sachkundigen Führung von Peter Petersen besichtigen. Die Fresken sind Ende des 19. Jahrhunderts aus den Wänden herausgesägt worden und daher auch in ihren Farben erhalten geblieben. Die hier gezeigten stammen aus der größten Villa, der sogenannten Casa del Citarista, die L. Popidius Secundus, einem Freigelassenen, gehörte. Er selbst besaß noch kein Bürgerrecht, sondern erwarb es indirekt, indem er seinen sechsjährigen Sohn in den Stadtrat aufnehmen ließ.
Das Bucerius Kunstforum wirbt für die Ausstellung mit dem Bild eines geflügelten jungen Mannes, der von zwei Eroten begleitet wird. Er stellt den Frühlingswind Zephyr dar, der sich hier der schlafenden Chloris oder Flora vom Himmel herab nähert. Eine ebenfalls vollkommene Bronzefigur ist das Standbild des Apoll fast in Lebensgröße, die der Villa ihren Namen gegeben hat. Er hat vermutlich in der linken Hand eine Kithara gehalten, während in der rechten ein massives Plektrum zum Anschlagen der Saiten erkennbar ist. Zum Luxus gehörten auch (nicht erhaltene) Bücher, die sogar im Eßraum oder im Bad bereitgehalten wurden.
Das Lesen war auch Thema der folgenden Sitzung der Antikenfreunde. Hier ging es um entsprechende Texte von Augustinus und Seneca. In „De Tranquillitate Animi“ rügt Seneca, daß manche Neureiche ihre Bücher nur zur Dekoration ihrer Eßzimmer benutzen und mahnt, daß man nur soviel Bücher besitzen solle, wie man auch lesen kann. Die Erwähnung der Bibliothek von Alexandria (9,5) erinnert daran, daß nur ein kleiner Teil der antiken Literatur die Machtergreifung des Christentums überlebt hat.
Noch zur Hamburger Ausstellung: Der Windgott Zephyros ist auf dem pompejanischen Wandbild als stattlicher junger Mann dargestellt, der sich der schlafenden Chloris vom Himmel herab nähert. 1400 Jahre später sind die beiden auf dem Bild „Primavera“ von Botticelli zu finden. Zephyr ist dort ein eher faunenhafter Luftgott, der die Nymphe verfolgt, um sie zu seiner Frau zu machen. Bei Ovid sagt sie dazu, sie sei zur lateinischen Flora geworden. Vielleicht hat Botticelli tatsächlich dieselbe noch einmal daneben als blumenübersäte Frühlingsgöttin abbilden wollen. Die Renaissance hat nun, ohne es zu wissen, in der Darstellung der Frauen eine Leichtigkeit gewonnen, die die Antike übertroffen hat.
Nochmals 150 Jahre weiter ist die Freude über die Rückkehr des lauen Frühlingswinds von Claudio Monteverdi vollendet in Musik gesetzt worden: „Zefiro torna“, nach einem Sonett von Rinuccini: Man hört den Wind und sanfte Wellen, und wie er murmelnd im Laub die Blumen zum Tanzen bringt, die Lieder von Chloris und Phyllis, ihr Echo in den Bergen und den Tiefen der Täler und Grotten. Am Schluß bleibt dem Dichter eine unerfüllte Sehnsucht, die ihn bald leiden, bald singen läßt. Das Stück ist ein Zwiegesang über einem zweitaktigen Ostinato, eine Chaconne. Die Interpreten dieser Aufnahme sind Nuria Rial und der Contratenor Philippe Jaroussky, sowie ein Instrumentalensemble, das auch die Versübergänge ritornellartig ausfüllt.
(Eine näher am Notentext orientierte, weniger ausgeschmückte Interpretation ist diese.)
Leicht bearbeitet zuerst eingetragen in nachrichtenbrett.de November 2014